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Eine Treibjagd mit siebzig Jägern

This article is part of our written series that introduces and explores small businesses that align with the FEC mission of encouraging local food makers and producers. This series hopes to serve as a resource and as inspiration for other industry folk in sharing the stories of local food entrepreneurs in the Brandenburg area.

 

geschrieben von Stefanie Rothenhöfer

Wie jedes Jahr im Herbst stehen Rehrücken und Wildschweinpastete und viele andere Teile vom Wild bei vielen Gastronomen ganz oben auf der Speisekarte. Am Wochenende haben wir uns mit siebzig Jägern in den Wald aufgemacht, um an einer sogenannten Treibjagd teilzunehmen.

Die Luft riecht wild und würzig, leichter Nebel steigt über den Wiesen auf, als wir uns in einer kleinen Gruppe in voller Jägermontur mit Gummistiefeln, warmer, wasserabweisender Kleidung, Jägerstuhl und Gewehren in den Wald begeben und nach unseren Posten Ausschau halten, den uns der Gastgeber der Jagd zugewiesen hat. Die Stellungen sind sorgfältig ausgewählt worden, die Standorte sind nicht mehr als 300 m voneinander entfernt und bildet so eine Linie von mehreren Kilometern um das Revier.

Eine Treibjagd ähnelt einem Strategiespiel, in diesem Fall zwischen den Jägern und dem Wild. Sie ist eine besondere Form des Jagens, bei der der Gastgeber der Treibjagd die Posten für die Jäger so auswählt, dass das ganze Revier umstellt ist. Eine Gruppe von „Treibern“ mit freilaufenden Jagdhunden durchschreitet dann das umstellte Revier und vertreibt das Wild aus den Büschen und Sträuchern. Schließlich erschießen die aufgestellten Jäger die fliehenden Tiere.

Unser Posten liegt im Wald mit Blick auf eine große grüne Wiese. Hier sitzen wir auf einem dreibeinigen Jägerstuhl und lauschen der Stille des Waldes. Die Stille in der frischen Waldluft, hoch konzentriert auf die Tiere, hat etwas Meditatives, das durch die ersten Laute und das aufgeregte Gebell der treibenden Hunde aus der Ferne unterbrochen wird. Von nun an sind immer wieder Schüsse zu hören, aus der Nähe und Ferne, von Jägern auf dem Wald und von den auf der Wiese positionierten.

 

Auf der anderen Seite der Wiese können wir nun die Treiber sehen, wie sie pfeifen und aus ihren Hörnern blasen und die vor uns liegende Wiese aus hohen Gräsern und verdorrten Stauden durchstreifen, unter denen sie Wildschweine vermuten.

Wildschweine gelten als besondere Beute. Tagsüber liegen sie unter den dichten Büschen und machen sich nachts auf die Nahrungssuche. Sensoren, mit denen man Wildschweine ausgestattet hat, belegen, dass die Tiere nachts bis zu 20 km zurücklegen, um ihre Nahrung zu finden. Zum Unmut der Bauern zählen Würmer zu einer besonderen Delikatesse, weshalb die Tiere gerne mit ihren Schnauzen ganze Feldstriche durchwühlen und hierzulande bis in die Gärten am Stadtrand vordringen.

Jäger begründen die Jagd deshalb gerne als „gute Tat“ für die Bauern und die Bevölkerung und argumentieren, regelmäßiges Jagen sei notwendig, um die Bestände konstant zu halten. Heutzutage gibt es kaum mehr natürliche Feinde, weshalb sich gerade Wildschweine, die bis zu drei Mal pro Jahr Frischlinge gebären, ständig vermehren. Jagdgegner wollen davon nichts wissen. Sie werfen den Jägern vor, die Tiere gerade im Winter systematisch zu füttern, um den Bestand hoch zu halten.

Das Pfeifen und Bellen wird nun immer lauter. Eine Gruppe von Treibern ist bei unseren Posten angekommen. Der Jäger, der meinem Posten mit mir gemeinsam bewacht, gibt mir den Rat, bei einer möglichen Schussabgabe meinen Mund zu öffnen. Der Schall der geplatzten Patrone gehe durch die Mundöffnung hindurch und funktioniere wie eine Art Blitzableiter.

Plötzlich raschelt es im Laub und ein großes Reh steht direkt vor unseren Augen. Es schaut uns  kurz an und macht sich dann wieder mit großen Sprüngen davon – direkt in die Schusslinie unseres benachbarten Postens. Reflexartig halte ich meine Ohren zu – Peng – die Nachbarin hat das Reh erwischt und versichert sich nun, dass das Tier auch wirklich tot ist. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3000 km/h erfasst die Kugel das Tier und tötet es sofort.

Die Tiere bleiben so lange auf dem Waldboden liegen, bis die Treiber das Zeichen geben, das Revier vollständig durchstreift zu haben und die Treibjagd zu beenden. Insgesamt wurden 42 Schüsse abgegeben; acht Wildschweine und sieben Rehe wurden geschossen.

Nun werden die toten Tiere sorgfältig auf die Ladefläche der Jäger Pick-Ups geladen und zur Jagdhütte gebracht, wo sie direkt ausgenommen, mit klarem Wasser gesäubert und aufgehängt werden.

Ein Stück der Leber bleibt am Tier, der Rest wird gemeinsam mit dem Herz und den Nieren in einer Plastiktüte aufbewahrt und beim entsprechenden Tier befestigt. Der Tierarzt entnimmt später eine Leberprobe und prüft, ob das Tier gesund ist und für Gastronomie und Handel freigegeben wird.

Während wir den Rest des Tages mit warmem Tee bei der Jagdhütte am Lagerfeuer verbringen, werden die Tiere zum örtlichen Schlachthof gebracht, wo sie registriert werden und das Fell abgenommen wird. Nachdem die Tiere in die einzelnen Teile zerlegt werden, kommen sie schließlich in den Verkauf des regionalen Großhandels.

Noch weitere drei Monate ist das Wild zum Schuss freigegeben, dann beginnt im Februar die Schonzeit für Rotwild, bis Ende Mai ist das Jagen dieser Tiere dann verboten.